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Dezember 6, 2022

Warum die langfristige Lösung für den Fachkräftemangel in der IT nur „Systemänderung“ heißen kann

Die Meldungen überschlagen sich und uns allen ist doch klar, dass es in der IT massig an Fachkräften und Mitarbeitern fehlt. Da spielt es fast keine Rolle, welche Statistik wir heranziehen, es gibt schon seit Jahren Handlungsbedarf. Doch wer das Thema langfristig lösen will, kommt an einer Systemänderung kaum vorbei.

Kurzfristiger Ansatz: Sind Ältere und Migranten die Lösung?

„Sieben Millionen Fachkräfte fallen bis 2035 weg“, so schreibt das Nachrichtenmagazin ntv am 21.11.2022.(1) Bereits jetzt ist der Fachkräftemangel in Deutschland deutlich spürbar. Das Problem droht sich zu verschärfen: Laut einer Studie gehen bis 2035 sieben Millionen Arbeitnehmer in Rente. Noch könne der Entwicklung aber entgegengewirkt werden. Die Arbeitgeber fordern dabei “keine Denkverbote”.

Da dürft Ihr euch mal selbst an die Nase fassen, liebe Arbeitgeber, denn die Denkverbote finden sich meist auf euerer Seite.

Zurück zum Thema: Ja, kurzfristig lässt sich das Thema Mitarbeitermangel mit älteren Mitarbeitern und Migration lösen, da bin ich mir sicher. Doch eine langfristige Lösung sieht meiner Meinung nach anders aus. Folgende Lösungsansätze für IT-Unternehmen sollten wir diskutieren.

 

Langfristiger Ansatz: Keine Denkverbote

Wenn wir über eine langfristige Lösung für den Mitarbeitermangel sprechen, kommen wir um das Thema Systemänderung bzw. Umstellung des Businessmodells nicht vorbei. Lasst uns das am Beispiel IT- und Unternehmensberatungen mal durchspielen.

Das gängige Geschäftsmodell von IT- und Unternehmensberatungen sieht wie folgt aus: Wir tauschen Zeit und Knowhow gegen Geld mit unseren Kunden. Wir verkaufen also das Knowhow unserer Beraterinnen und Berater zu einem gewissen Tagessatz. Je exklusiver das Wissen, desto höher ist der Tagessatz. Doch somit sind die Unternehmen maximal in ihrem Geschäftsmodell limitiert, da man eine Person nicht unendlich verkaufen kann. Hieraus resultiert auch der weit verbreitete Glaube, man müsse immer mehr Beraterinnen und Berater einstellen, um wachsen zu können.

Doch in der Realität gibt es andere Ansätze, die sich seit längerer Zeit bewährt haben. Jedoch ist in den Unternehmen ein Umdenken der Führungskräfte nötig, um aus den alten, verkrusteten Modellen rauszukommen. Lass uns ein paar Beispiel anführen:

  1. Das „Accenture light Modell“ für kleine Unternehmen

Ich hatte vor 18 Jahren zwei Mitarbeiter in Chicago, USA sitzen, die zeitversetzt allen anderen Beratern den Rücken freihielten. Nein, nicht jeder Berater muss beim Kunden sitzen, um zu fakturieren. Es ist sogar von Vorteil, wenn du einen Teil deiner Truppe auf einem anderen Kontinent sitzen hast. Die Zeitverschiebung kann ein Vorteil in der Problemlösung für Kunden sein. Wenn deine Berater kleine Packages und Probleme von Kollegen über Nacht bearbeiten lassen, dann imponiert das auch deinen Mittelstandskunden – das kann ich dir aus eigener Erfahrung sagen. Jedoch musst du folgende Voraussetzungen mit deinem Kunden im Vorfeld klären: Kommuniziere offen und ehrlich, wie ihr arbeitet und dass jemand am anderen Ende der Welt auch für den Kunden arbeitet, evtl. zum reduzierten Tagessatz – da hat auch der Mittelstand nichts dagegen, er muss es nur wissen. Wenn du ein gutes Vertrauensverhältnis zu deinem Kunden hast, kannst du das jederzeit ansprechen.

  1. Sprint Work für Sprinter

„Ich würde gerne 40 Stunden in 3 Tagen arbeiten, jedoch lässt mich mein Vorgesetzter nicht“ erzählt mir ein Mitarbeiter. Zu welchem Zeitpunkt haben wir uns auf eine 5-Tage-Woche à 8 Stunden geeinigt – hast du eine Idee? Wo es doch keine Denkverbote mehr geben soll oder darf, überlasse ich es doch meinem Mitarbeiter selbst, wann und wie lange er arbeiten will. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Qualität der Arbeit steigt, wenn jeder in seiner Selbstverantwortung seine Projekte abliefert.

Voraussetzung:  Du kommunizierst als Mitarbeiter und Unternehmen klar, dass du z. B. von Montag bis Mittwoch von 15 – 18 Uhr telefonisch und für Meetings zur Verfügung stehst. Den Rest des Tages willst du jedoch hochproduktiv arbeiten.

  1. Verkaufe Ziele und Meilensteine, keine Tage

Wenn ich als Kunde ein Problem habe, möchte ich das gelöst bekommen und das bitte zum Festpreis – ich möchte keine Tage kaufen müssen. Somit solltest du doch als Unternehmen großes Interesse daran haben, Lösungen / Ziele / Meilensteine zu verkaufen und keine Tage.

  1. Alles remote, oder?

Geht’s dir auch so? In der Pandemie haben wir alle wunderbar remote gearbeitet und ich höre immer wieder, dass die Projekte perfekt gelaufen sind. Warum können wir das nicht beibehalten? Warum klappt das in Pandemien und in Normalzeiten nicht? Weil du kein Vertrauen in deine Mitarbeiter hast und du deinem Kunden nicht klar sagen willst, dass euer Geschäftsmodell zu 75% remote umsetzbar ist? Ich bin davon überzeugt, dass du das zu deinem Vorteil in den Projektverhandlungen auslegen kannst, denn dein Pricing kann definitiv attraktiver werden, wenn du zu 75% remote arbeitest.

  1. Geld und Preise?

Wenn dein Kunde darauf besteht, dass alle Beraterinnen und Berater vor Ort sein sollen, dann muss er andere Preise zahlen, als wenn du zu 75% remote arbeiten kannst. Dir muss doch klar sein, dass kein Kunde Remote Work zustimmen wird, wenn es keine Preisunterschiede gibt?

 

Lass uns das kurz und knapp zusammenfassen:

Wenn du als Unternehmen aus der Falle „Tausche Knowhow gegen Geld“ kommen willst, brauchst du neue Modelle. Das „Accenture light Modell“ funktioniert für jedes Unternehmen, deine Beraterinnen und Berater müssen deswegen nicht in Indien sitzen – starte mit ein paar Leuten aus Europa, die sehr gutes Englisch sprechen und sammle Erfahrungen. Des Weiteren musst du die Vorteile von 75% Remote Projekten inklusive Pricing für Kunden nachvollziehbar darstellen, damit sie darüber nachdenken. Darin steckt der größte Hebel für dich und deine Kunden.

Du meinst, mit 25 Mitarbeitern würde das nicht funktionieren? Doch, genau das klappt sehr gut, denn so kannst du schnell wachsen und findest sehr gut neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Du bietest das, was vielleicht andere kleine Unternehmen nicht bieten.

Was du dafür benötigst:

  • Klare Kommunikationsregeln mit Kunden und Mitarbeitern
  • Vertrauen Richtung Kunden und Mitarbeitern
  • Klare Absprachen mit Kunden und Mitarbeitern
  • Mut, neue Wege zu gehen
  • Eine klare Ausrichtung für neue Systeme für Kunden und Mitarbeiter

Wo es doch „keine Denkverbote” mehr geben soll, kannst auch du den ersten Schritt machen, oder?

 

(1)   https://www.n-tv.de/wirtschaft/Sieben-Millionen-Fachkraefte-fallen-bis-2035-weg-article23732833.html