Gestresst, gehetzt, genervt, überlastet, übernächtigt und unter Dauerdruck – so formulieren die meisten Manager in den letzten Workshops ihren emotionalen Zustand. Befindet ihr euch auch dauerhaft in dieser Situation, frage ich? Im Chor bekomme ich zu hören – ja leider, geht doch nicht anders, oder? Diese Erfahrung habe ich auch vor Jahren selbst mehr oder weniger in Dauerschleife gemacht, als ich noch CEO eines Beratungsunternehmens war. Dieser Umstand ist mir also nur allzu gut bekannt. Und doch, es geht sehr wohl anders, wenn du bereit bist, aktiv ein paar kleine Änderungen in deinem emotionalen Selbstmanagement vorzunehmen. Dadurch hast du die Chance, dich wieder auf deine tatsächliche Führungsaufgabe konzentrieren zu können.
Die Selbstmanagement-Methode
Wir sind uns doch sicherlich alle einig, wenn folgende Rahmenbedingungen für dich persönlich gegeben sind, kannst du optimal agieren und arbeiten:
- Du hast eine klare Tagesstruktur.
- Du kannst deine Emotionen händeln.
- Deine Emotionen überwältigen dich nicht und übernehmen auch nicht die Führung über dich und dein Verhalten.
- Du lässt dich weder von Menschen noch von Themen hetzen oder treiben.
- Du bist klar in dem, was du tust und wer du bist.
- Du hast den Mut zu einem „Nein“.
In diesem Setting kannst du optimal in deiner Rolle als Manager oder Führungskraft – egal auf welchem Level – tätig sein. Zudem kommst du dem Selbstverständnis deiner Rolle sehr viel näher, indem du beginnst zu agieren, statt ständig nur zu reagieren. Wenn du permanent als Feuerwehrmann jeden Brand zu löschen versuchst, bist du im defensiven Modus und strahlst weder Souveränität noch Ruhe, geschweige denn Sicherheit aus. Diese Außenwirkung muss dir an dieser Stelle einfach klar sein. Ja, du hast mit diesen unkoordinierten Aktionen zwar eine gute Absicht, doch du verfehlst letztlich dein Ziel. Dein Team braucht keinen Feuerwehrmann oder Spielertrainer, der stets versucht, noch selbst am Ball zu sein und nun zum Scheuchenden wird. Dein Team braucht genau das Gegenteil – nämlich einen klaren, visionären, jederzeit ansprechbaren und somit Sicherheit ausstrahlenden Trainer.
Warum ist diese Unterscheidung (Trainer versus Spielertrainer) so wichtig?
Weil ein Spielertrainer
- keine Übersicht über das Spielfeld hat.
- im Detail verhaftet bleibt und den Blick fürs große Ganze verliert.
- emotional verstrickt ist.
- oft körperlich am Limit ist.
- seine Ebene/ Rolle als Trainer nur teilweise wahrnimmt.
- selbst noch Tore schießen will etc.
Kannst du sehen, weshalb du als Führungskraft nicht mehr Berater bzw. Spielertrainer sein kannst?
Lass mich aus eigener Erfahrung den wichtigsten Punkt – nämlich emotional verstrickt zu sein – mit dir teilen. Wenn du selbst noch auf dem Platz stehst oder im Projekt agierst, wirst du oft von negativen Emotionen wie
- Ärger
- Wut
- Verzweiflung
- Druck
- Aggression
- Enttäuschung etc.
getriggert, schon allein durch deine Doppelbelastung und die vermixten Rollen in der Not. Wenn du beispielsweise wütend bist, kannst du schlichtweg nicht mehr souverän und jederzeit für dein Team ansprechbar sein, da du in dieser Emotion „gefangen“ bist. Das Hamsterrad startet, du bist wohl genervt, der innere Druck steigt und du willst einfach nur deine Themen flott erledigen und nicht großartig zusammen mit anderen agieren.
Doch Vorsicht, genau hier ist die Falle: Wenn du als Führungskraft keine Zeit hast, v.a. zuzuhören, zu Unrecht urteilst, harsch reagierst etc., dann agierst du in der Emotion der Wut, womit du schlichtweg sehr schlecht beraten bist. Dieses Verhalten hat natürlich direkten Einfluss auf deine Beziehungen, im Arbeitsumfeld wie privat, da der Arbeitsärger gerne mit nachhause genommen wird.
Wie kannst du diesen Zustand ändern?
Emotionen werden grundsätzlich durch unkontrollierbare äußere Reize ausgelöst. Du kannst sie also nicht vermeiden, das ist völlig unmöglich und auch nicht dein Ziel – es ist zutiefst menschlich und nennt sich Leben. Doch du bist der Schlüssel, wie du damit umgehst. Es gibt durchaus Wege, um souverän und authentisch zu bleiben. Du hast bestimmt schon mal von der 90-Sekunden-Technik gehört. Die Harvard-Absolventin und Neurowissenschaftlerin Dr. Jill B. Taylor hat dazu umfangreiche Studien angestellt und herausgefunden, dass sich negative Emotionen, wie Wut, Ärger oder Stress, im Körper innerhalb von 90 Sekunden selbst wieder auflösen. Das heißt, unser Körper reguliert diese Gefühle von ganz allein, wenn wir ihn lassen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass du aktiv etwas tun musst, um länger in der Emotion verhaftet zu bleiben. Du verstärkst die negativen Emotionen also selbst und zwar durch zwei weit verbreitete „Fehler“:
- Stell dir vor, es kommt ein Stressfaktor von außen, der dich wütend macht und ärgert. Zuerst versuchst du, dieses Gefühl wegzudrücken, runterzuspielen oder cool an dir abprallen zu lassen. Und genau dadurch verstärkst du die Emotion. Es kostet Kraft und Energie sie fernzuhalten. Du fütterst sie quasi dadurch und sie kochen weiterhin in dir, bis sie dich schließlich übermannen. Das kann übrigens Stunden, Tage, Wochen andauern.
- Der zweite häufige Fehler ist, nachdem die Emotion verstärkt wurde: jetzt willst du es loswerden! Du spürst die Emotion und den Stress und möchtest das natürlich so schnell wie möglich beenden. Dann ärgerst du dich – wie viele Menschen – darüber, dass du dich ärgerst und schon hast du wieder unnötig Energie verschwendet und die negativen Gefühle verstärkt.
Was kannst du also konkret tun, um schnell wieder in deine „Zone“ (optimal ausgeglichener emotionaler Zustand) zu kommen?
- Nimm bewusst die dich triggernde Emotion wahr, idealerweise schon in diesem kurzen Raum zwischen Reiz und Reaktion.
- Benenne klar diese Emotion, z. B. „ich fühle mich wütend“.
- Bewerte diese Emotion nicht, nimm sie einfach als neutraler Beobachter wahr – reagiere nicht weiter auf den Reiz.
- Akzeptiere die negative Emotion in dir: „Wut, du darfst jetzt hier sein – das ist in Ordnung.“
- Atme 5–10-mal tief durch.
Was jetzt passiert ist völlig wunderbar: deine Wut darf sein und wenn sie sein darf, geht sie. Du bist wieder in deiner „Zone“. Das kann bereits sehr schnell in den ersten 90 Sekunden direkt nach Reizauslösung in deinem Körper geschehen, so dass du gar nicht erst in heftige Emotionen rutschen musst. Meiner Erfahrung nach kannst du diese erweiterte Selbstmanagement-Methode genauso gut und effektiv anwenden, wenn du schon mitten in der Emotion bist und gelernt hast, bewusst innezuhalten/ zu stoppen und die beschriebenen Punkte a. – e. vollziehst. Du unterbrichst sozusagen die dich lenkende Emotion und übernimmst bewusst die Regulation.
Das kannst du nicht glauben? Probiere es aus, bevor du das nächste Mal in der Wut wild um dich schlägst und dein Team mit deiner unproduktiven Emotion infizierst.
Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, sobald ich meine negativen Emotionen nicht mehr ungefiltert bei meinem Team ablade, was unbewusst und unkontrolliert sehr schnell passieren konnte, und auch meine Mitarbeiter diese Methode für sich anwenden, dass sich unsere Teamergebnisse enorm gesteigert haben. Wir verfangen uns nicht mehr in destruktiven Situationen, die die Stressspiralen weiter am Laufen halten, einfach nur Energie kosten und vom Wesentlichen ablenken.
Sobald du also als Führungskraft mit deinen negativen Emotionen bewusst umgehen lernst, wirst du deine und die Produktivität deines Teams um Faktor X steigern.