Meinem vierzehnjährigen Neffen kann ich sagen, dass er um 18 Uhr zu Hause sein soll, da es danach Abendessen gibt. Doch warum werden auf einmal erwachsene Frauen und Männer im Business wie Teenager behandelt? Denn so müssen sich doch die Angestellten vorkommen, wenn ihnen gesagt wird, sie sollen ins Office zurückkommen. Zwei Tage Homeoffice sind in Ordnung – jedoch nicht Montag oder Freitag! Wie hilf- und ideenlos müssen Führungskräfte sein, wenn sie ihren Mitarbeiter sagen, wann und wo sie arbeiten müssen. Mein Appell: Mache das auf keinen Fall!
„Alle zurück ins Office!“ – im Befehlstonus!
Google, Amazon und viele Firmen des deutschen Mittelstands haben in den letzten Monaten den Befehl „Google zwingt Angestellte zurück in Büro“(1) gegeben. Doch was treibt die Unternehmen zu diesen Zwangsmaßnahmen? Im Fall Google wird sogar von einer „Anwesenheitspflicht“ im Office gesprochen und es folgt eine schlechte Bewertung im Arbeitszeugnis bzw. Leistungsbewertung, sollte diese nicht eingehalten werden.
Mich erinnert das an Mindset und Managementmethoden aus den 1990 – dich auch?
»Es steht außer Frage, dass die Zusammenarbeit im selben Raum einen positiven Unterschied macht.«
Google-Personalchefin Fiona Cicconi
Somit darf ich dem Weltkonzern eine Firmenkultur aus den 1990 attestieren, soviel zum Thema „flexibler Weltkonzern“. Logisch ist es einfacher, wenn wir gewohntes Verhalten, also die Zusammenarbeit in einem Raum, als Maßstab ansetzen. Da greifen wir doch gerne auf gutes, bewährtes Vorgehen zurück. Doch wer neue Ansätze in den Vordergrund stellen möchte, der kann den „Büro-Befehl“ nicht ernstnehmen. Denn mündige, selbstständige und selbst denkende Mitarbeiter werden den Befehl ignorieren oder sogar im schlimmeren Fall dem Unternehmen den Rücken kehren – sollte das das Ziel sein?
Als Führungskraft kann es dir auch passieren, dass die Ja-Sager die Follower im Unternehmen bleiben. Sie bleiben also auch im Office. Und die „Leader“, die innovativen Köpfe, die Macher gehen von Bord – willst du das wirklich?
Schluss jetzt mit dem Bashing – lasst uns doch mal schauen, was hinter diesen Ansagen und Befehlen stecken könnte.
Gerne möchte ich das kurz und knapp sagen. Es fehlt dir als Führungskraft einfach an folgenden Punkten:
- Du vertraust deinen Mitarbeitern nicht
- Du glaubst ihnen nicht, dass sie ihre Arbeit machen
- Du willst sie kontrollieren
- Du denkst, dass das Arbeiten in einem Raum einfacher ist
- Du glaubst, dass du deine Mitarbeiter nicht mehr halten oder binden kannst
Wenn du mit deinem bisherigen Führungsverhalten und -verständnis an die Sache Mitarbeiterführung und -entwicklung gehst, wirst du scheitern. Doch wenn du in der Lage bist, über deinen Schatten zu springen, dich selbst zu entwickeln, dann hast du die Chance, eine neue Art der Bindung und Führung für dich und dein Team zu entdecken und zu etablieren.
Was brauchst du dafür:
- Zeit, Zeit und nochmal Zeit
- Echtes Interesse an deinen Mitarbeitern
- Einfühlungsvermögen
- Mehr Kraft und Energie als früher
Bist du bereit, das zu investieren? Wenn ja, brauchst du sicherlich keinen „Büro-Befehl“ zu geben. Du darfst stattdessen deinen Mitarbeitern vertrauen, so wie du dir selbst vertraust. Wird es da zu Situationen kommen, wo dein Vertrauen ausgenutzt wird? Ja klar! Doch wenn 2% der Fälle nicht funktionieren, solltest du nicht 98% der Leute bestrafen, oder?
Mache dir bewusst:
Wenn du dich selbst führen kannst, kannst du auch Mitarbeiter führen.
Das heißt, auch wenn du Kollegen im Office brauchst, muss das noch lange nicht für alle anderen gelten.
Lasse deinen Mitarbeitern die freie Wahl, wann und wo sie arbeiten – denn nur dann bekommst du Ergebnisse, die sich sehen lassen können. Alternativ sitzen Leute im Office und surfen im Web, ohne dass sie was machen. Das geht da übrigens auch.
Vorteile:
Spricht nicht vieles dafür, sich den Arbeitsweg zu ersparen? Immerhin kostet er Zeit, Energie und damit auch Geld. Und kehren nun die Betroffenen freiwillig zurück? Studienautorin Nadja Bergmann hat bei Beschäftigten und Betrieben nachgefragt. Tatsächlich ist es der Wegfall der Pendlerzeiten, der für den Großteil der befragten Beschäftigten (85 Prozent) für das Arbeiten daheim spricht. Auch die Arbeitgeber halten dies für den wichtigsten Vorteil (82 Prozent).