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März 28, 2021

Die größte Gefahr für Ihr Unternehmen ist der Glaube, dass Ihre Personalprobleme durch HR gelöst werden

  • Der schwarze Peter
  • Rollenverständnis
  • Mögliche Lösungen

 „Es gehört sicherlich nicht zu meinen Aufgaben, Leute auf Social-Media-Plattformen anzuschreiben. Ich erwarte von unserer Recruiting- und HR-Abteilung, dass ich Kandidaten bekomme. Das ist doch wohl der Job von HR!“

Dies gibt ein Bereichsleiter vollmundig in unserem Führungskräfte-Workshop seinen Kollegen zu verstehen. Stille macht sich breit, denn jeder im Raum weiß, dass er und seine Kollegen einfach keine Profile von HR bekommen. Da wird der „Schwarze Peter“ einfach hin- und hergeschoben. Doch ist das die Lösung? Sicherlich nicht.

Der schwarze Peter

Die Redewendung geht zurück auf das bekannte Kartenspiel “Der schwarze Peter”, bei dem derjenige Spieler verliert, der als letzter die Karte mit dem Schwarzen Peter in Händen hält.

Wikipedia(1) sagt dazu:  „Schwarzer Peter ist neben Quartett eines der am weitesten verbreiteten Kartenspiele für Kinder. Es ist ein Negativspiel: Wer die namengebende Karte nicht weitergeben kann, hat verloren.“

Spielen Sie in Ihrem Unternehmen auch gerne so ein Negativspiel? Sicherlich nicht. Doch halten wir jetzt schon fest, dass Aufgaben wie Personalfindung und -bindung klassische Aufgabengebiete von HR und Recruiting waren. Ja, ich wähle bewusst die Vergangenheitsform „waren“. HR ist nicht mehr allein dafür verantwortlich.

Gehen wir Schritt für Schritt vor:

Vor einigen Jahren war der Personalfindungsprozess klar geregelt. Sie als Führungskraft oder  Neudeutsch „Hiring Manager“, gaben Ihren Bedarf (z. B. einen SAP FI/CO Berater) an die zuständige HR-Abteilung weiter und der immer noch klassische Prozess der Personalfindung wurde gestartet. Über Headhunter, Anzeigenschaltung, Portale oder andere Kanäle wurden Interessenten und Kandidaten geworben und in einer ersten Auswahl der Führungskraft im Fachbereich vorgestellt. Sie durften dann wie im alten Rom über Siegen oder Fliegen  entscheiden, ihre persönliche Nr. 1 wurde eingestellt – alle Beteiligten waren in der Regel glücklich und zufrieden.

Sorry – heute läuft das nicht mehr so!

Wenn sich die ganze Welt ändert, dann können Sie nicht einfach nichts tun!

Wenn die Fachabteilung jetzt darauf besteht, dass dieser ehemals so bequeme Prozess beibehalten wird, dann entsteht folgendes Szenario:

  • Sie bekommen einfach keine Bewerber mehr
  • HR benötigt viel mehr Zeit für viel weniger Bewerber und kämpft somit um jeden einzelnen Kandidaten
  • die Fachabteilung sagt: es läuft einfach nicht – ich bekomme kein Personal mehr

Ergo: Der Schwarze Peter wird hin- und hergeschoben und keiner gewinnt. Alle bleiben in dieser Negativspirale gefangen.

Rollenverständnis

In unserem Workshop sind wir etwa zwei Stunden weiter und ich zitiere aus meiner letzten Linkedin-Befragung. Die Frage lautete: „Mit wem möchten Ihre Bewerber sprechen?“ Was glauben Sie? 97% der Teilnehmer antworten, dass sie mit der Fachabteilung sprechen möchten – im Umkehrschluss also fast niemand mit HR!

Die Führungskräfte waren doch sehr überrascht über dieses Ergebnis. Klaus fragte, warum sie dann nicht direkt mit den Kandidaten sprechen würden, wenn es doch eh so wenige seien.

Korrekt, Klaus! Es wird Zeit, den Prozess der Personalfindung zu verändern, um wieder schnell und erfolgreich Personal einstellen zu können.

Ein kleiner Exkurs in die Praxis:

  • Sobald der Recruiting-Prozess zwischen HR und Fachabteilung neu geregelt und die Rollenverteilung im Jahr 2021 geklärt ist, ist eine Einstellung in unter 3 Wochen möglich und wird zum neuen Standard.
  • Sobald Führungskräfte akzeptieren, dass sie einen aktiven Part im Recruiting einnehmen, gewinnen sie genügend neue Mitarbeiter.
  • Sobald Führungskräfte respektieren, dass Feedback zu Unterlagen des Kandidaten in 24 Stunden gegeben und jede Einstellungsentscheidung sofort in einem einzigen Gespräch getroffen sein sollte, verändert sich ihre Einstellung und somit ihr Erfolg im Recruiting.
  • Sobald Führungskräfte aktiv ihr Netzwerk in die Personalfindung einbringen und in Zusammenarbeit mit HR Success Stories (Projekte usw.) in Social-Media-Kanälen verbreiten, bewerben sich wieder Menschen bei ihnen.
  • Sobald Führungskräfte wieder präsent sind, stoßen auch Menschen ins Unternehmen, die mit ihnen zusammenarbeiten wollen.

Machen Sie sich bewusst: Es liegt an Ihnen, wenn Ihr Unternehmen und somit Ihr Team keine Bewerber hat. Sie haben dann den Schwarzen Peter auf der Hand – nicht HR.

Sie müssen sich und Ihre Arbeit verändern. Sollte das nicht möglich sein oder Sie dafür keine Zeit haben, dann schaffen Sie sich die nötigen Freiräume – entweder selbst oder über Ihre Vorgesetzten. Sonst bleibt der Schwarze Peter bei Ihnen und das für lange Zeit. 

 

Mögliche Lösungen

In unserem Workshop sind wir wieder drei Stunden vorangeschritten und einigen Führungskräften ist klar geworden, dass sie aktiv werden müssen. Folgende Punkte stehen auf der Agenda, um aus dem Negativspiel des Schwarzen Peters auszusteigen:

  • Zielgruppen: Die meisten Unternehmen arbeiten mit einer Zielgruppe, nämlich dem klassischen Topberater, der alles kann und wenig kostet – sorry, diese eierlegende Wollmilchsau wollen alle Unternehmen. Mein Tipp: Arbeiten Sie mit Sub-Zielgruppen. Umso treffender Sie die Leute in einer bestimmten Lebensphase ansprechen können, desto höher ist die Chance, dass Sie im Kreis möglicher Interessenten als potenzieller Arbeitgeber wahrgenommen werden. Arbeiten Sie mit mindestens fünf Sub-Zielgruppen.
  • Gehälter: Ihre internen Gehaltsbänder interessieren ehrlich gesagt niemanden – wann haben Sie diese das letzte Mal hinterfragt oder angepasst?
  • Highlights in den Projekten: Beschreiben Sie all Ihre Projekte – aber bitte realistisch, nicht geschönt aus Sicht des Marketings. Was hat Ihr Team technisch gemacht? Welche Aufgabenstellung haben sie für den Kunden lösen können? Sorgen Sie dafür, dass Menschen Ihrer (Sub-) Zielgruppen davon erfahren, z.B. über Social Media, Fachforen etc. Nutzen Sie aktiv Content Recruiting.
  • Aktives Hunting: Arbeiten Sie mit Recruitern und Sourcern aktiv im Social-Media-Umfeld zusammen – ohne ihre Mitarbeit klappt der Prozess nicht.
  • Prio 1 – Strategie: Sie müssen mit Ihren Kollegen aus Ihrem Führungsteam die USPs Ihres Teams und Unternehmens erarbeiten! Sie benötigen Antworten auf Fragen wie: „Warum soll sich jemand bei Ihnen bewerben? “ Wenn Sie hierzu keine klaren, authentischen Antworten haben, haben Sie zukünftig im Recruiting wenig Chancen.

Quellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzer_Peter