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Oktober 12, 2019

HR Werkstatt: So schaffen Sie die Basis für Active Sourcing

Der Arbeitsmarkt hat sich zum Bewerbermarkt gewandelt. Die herkömmlichen, passiv-abwartenden Methoden zur Personalgewinnung greifen nur noch teilweise. Wenn HR-Manager und Recruiter aber wie Vertriebsprofis agieren, können sie die Kandidaten besser von ihrem Unternehmen überzeugen. 

 Frage an die HR-Werkstatt: “Auf Stellenanzeigen erhalten wir immer weniger Rücklauf. Inwiefern ist die aktive Suche nach Kandidaten eine Lösung und wie gehen wir das an?”

Es antwortet: Frank Rechsteiner, Experte für Executive Recruiting und Strategieberatung 

Mit diesem Problem sind Sie nicht allein – das klassische “Post & Pray”-Prinzip, also Stellen ausschreiben und auf Bewerbungen warten, funktioniert bei den meisten Unternehmen nur noch teilweise. Daher sollten die Arbeitgeber künftig auf Active Sourcing, die aktive Recherche und Ansprache potenzieller Bewerber, setzen. Jedoch müssen sie sich zuvor folgende vier Fragen beantworten, um damit erfolgreich zu sein. Active Sourcing ist keine Wunderwaffe und löst die Recruiting-Probleme nicht automatisch. 

1. Wer ist Ihre Zielgruppe und wo finden Sie diese?

Für eine aktive Kontaktaufnahme bieten sich in erster Linie die Social-Media-Kanäle an. Doch bevor HR-Manager und Recruiter damit starten, sollten sie sich fragen: “Warum sollte sich jemand bei unserem Unternehmen bewerben?” Wichtig ist, auf diese Frage kurze, prägnante Antworten zu finden, die auf die einzelnen Zielgruppen zugeschnitten sind und zum Unternehmensprofil passen. Da es an Fach- und Führungskräften mit klassischem Bewerberprofil zunehmend mangelt, bieten sich verstärkt auch Randzielgruppen an. Dazu gehören zum Beispiel “Remote”-Mitarbeiter, die das Home Office gegenüber dem Büroarbeitsplatz oder dem Vor-Ort-Einsatz beim Kunden bevorzugen. Auch ältere Mitarbeiter sind eine interessante Zielgruppe. Während es in vielen Unternehmen ein stillschweigendes Tabu ist, Arbeitskräfte über 50 Jahren einzustellen, bieten diese viele Vorteile – wie umfassende Erfahrungen und Fachkenntnisse – und sind überdies motivierter und leistungsbereiter als oft angenommen. Weitere wichtige Zielgruppen, die individuell angesprochen werden müssen, können Quereinsteiger oder Eltern sein, die mit familienfreundlichen Arbeitsmodellen überzeugt werden können.

2. Welche Mehrwerte können Sie als Arbeitgeber bieten?

Ob aktiv oder latent Stellensuchende: Mit Standardbotschaften, wie “Wir bieten tolle Kunden/ein gutes Betriebsklima/ausgezeichnete Karrierechancen”, lässt sich heute kaum ein Kandidat mehr locken. Stattdessen sollten die HR-Manager und Recruiter in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung und den Fachbereichen eine unverwechselbare Arbeitnehmermarke entwickeln – am besten im Rahmen moderierter Workshops – und sich damit aktiv am Bewerbermarkt positionieren. Die Employer Brand basiert auf der Identität und dem Wertesystem eines Unternehmens sowie seiner Art zu handeln. Umfragen haben ergeben, dass sich die Kandidaten von einem Arbeitgeber vor allem Wandlungs- und Zukunftsfähigkeit, werthaltige Produkte und Dienstleistungen, ein angemessenes Gehalt und eine gute Unternehmenskultur wünschen – wozu ein respektvoller Umgang sowie genügend Rückhalt und Entwicklungsspielraum für die Mitarbeiter zählen.

3. Wie können Sie Ihre Bewerbungsprozesse individualisieren?

Gute HR-Manager und Recruiter verzichten auf Massen-E-Mails und verstehen es stattdessen, eine individuelle Beziehung zum Kandidaten aufzubauen – und zwar in jeder Phase des Bewerbungsprozesses. So sollten sich die Personaler intensiv mit dem Profil eines Kandidaten auseinandersetzen, um ihn im Gespräch nicht mit Fragen nach Schema F zu nerven. Zudem empfiehlt es sich, einen Interessenten jederzeit über den aktuellen Stand seiner Bewerbung auf dem Laufenden zu halten – ob per E-Mail oder telefonisch. Auch sollten die Vertragsbedingungen auf die Wünsche und Bedürfnisse eines Kandidaten zugeschnitten sein. Dies gilt natürlich nicht nur für die Höhe des Gehalts, sondern auch für Faktoren wie die vielbeschworene Work-Life-Balance, die speziell für jüngere Arbeitnehmer von großer Bedeutung ist.

Ein weiterer wichtiger Baustein für positive Bewerbererfahrungen, die so genannte Candidate Experience, ist die Verkürzung der Time-to-Hire, also der Zeit zwischen der Erstansprache eines Bewerbers und dem Vertragsabschluss. Sie sollte nicht mehr als vier Wochen betragen, ansonsten droht die Gefahr, dass interessante Kandidaten abspringen. Dazu empfiehlt es sich für die HR-Manager, von ihren Fachkollegen kurze Rückmelde-Fristen zu fordern und dafür sorgen, dass mit den Vorstellungsrunden nach spätestens acht Werktagen begonnen werden kann. Eventuell genügt zur Entscheidungsfindung ein einziges Vorstellungsgespräch (“The big Date”) – vorausgesetzt, es wird sehr gut vorbereitet.

4. Wie steigere ich den Erfolg meiner Karriereseiten?

Die Karriereseite ist Pflicht, nicht Kür. Doch zeichnet sich auch in diesem Bereich das Ende der klassischen Stellenanzeige ab, da diese nach dem K.o.-Prinzip funktioniert: Wer die formulierten Jobanforderungen nicht erfüllen kann, bewirbt sich erst gar nicht – auch wenn er prinzipiell gut in die Karrierelandschaft eines Unternehmens passen würde. Besser ist es daher, wenn die Arbeitgeber ihren Personalbedarf allgemeiner fassen und auf die künftige Geschäftsentwicklung auslegen – und zwar in Form innovativer Fachbereichsangebote, die auf den Karriereseiten veröffentlicht werden. Bereichsangebote umfassen bewerberrelevante Informationen aus den einzelnen Teams und Fachabteilungen, allen voran die fachlichen und geschäftlichen Ziele, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden sollen. Ebenso enthalten sind Angaben zur Arbeitskultur in den einzelnen Bereichen.

Bereichsangebote wirken noch attraktiver, wenn sie Elemente aus dem Content und Influencer Recruiting integrieren. Beide Personalgewinnungs-Strategien sind in den Unternehmen auf dem Vormarsch. So bevorzugen es immer mehr Arbeitgeber, potenzielle Bewerber mit informierendem, beratendem und unterhaltendem Content auf sich aufmerksam zu machen, anstatt sich selbst und ihre Leistungen in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu werden zum Beispiel Blog Posts, Infografiken, Studien, Experteninterviews und Gewinnspiele genutzt. Beim Influencer Recruiting hingegen dienen die eigenen Mitarbeiter als Markenbotschafter, indem sie im Rahmen von Bildmotiven, Interviews oder Videos Empfehlungen für ihren Arbeitgeber abgeben. Dies wirkt wesentlich glaubhafter, als wenn ein Arbeitgeber selbst auf seine Vorzüge verweist. Zusätzlich zur inhaltlichen Aufwertung profitieren Bereichsangebote auch visuell von Content und Influencer Recruiting. So werden Unternehmensinformationen dann verstärkt beachtet, wenn Bilder, Videos oder interaktive Elemente eingebunden werden. So helfen die Bereichsangebote den Unternehmen, langfristige Beziehungen zu möglichst vielen Kandidaten aufzunehmen, die fachlich und kulturell gut zu ihnen passen und bei Bedarf gezielt angesprochen werden können.

Quelle: https://www.personalwirtschaft.de/recruiting/active-sourcing/artikel/so-schaffen-sie-die-basis-fuer-active-sourcing.html