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Februar 7, 2021

Wie die Vertrauenskrise der Führungskräfte gelöst werden kann

  • Die Studie „Dauerpräsenz im Büro“
  • Selbstverantwortung
  • Personal finden und binden

 

In einer schwäbischen Redewendung mit unbekanntem Ursprung heißt es: „Wenn du anderen nicht traust, vertraust du in Wahrheit dir selbst nicht!“.

In diesem Satz wird das Dilemma in Sachen Vertrauen und Kontrolle so einiger Führungskräfte kurz und knackig auf den Punkt gebracht. Ich persönlich habe sehr oft beobachten können, dass diese Redewendung viel Wahres in sich trägt. Doch wie kommen wir aus dieser Vertrauenskrise heraus?

Dauerpräsenz im Büro

Seit der Corona-Pandemie ermöglichen auch solche Firmen das Arbeiten im Homeoffice, die vorher skeptisch waren und solche Modelle abgelehnt haben. Eine Studie hat dies aktuell untersucht. (1)

Ist der Wandel von Dauer?

Derzeit erledigen viele Beschäftigte ihre Arbeit mehr oder weniger gezwungenermaßen im Homeoffice. Nach den Vorstellungen der Arbeitgeber soll das aber nicht dauerhaft so bleiben. Laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 1 200 Firmen haben zwei Drittel nicht vor, ihren Beschäftigten nach der Coronakrise mehr Homeoffice als vor der Krise zu ermöglichen. Das Gros der Mitarbeiter solle wieder in die Büros zurückkehren.

Moment mal, darüber müssen wir sprechen. Das heißt doch frei übersetzt, dass die Unternehmen und somit die Führungskräfte ihren Mitarbeitern vorschreiben, wann und wo sie zu arbeiten haben. Um jedem Einwand Vorschub zu leisten, diese Diskussion betrifft nur Mitarbeiter, denen es möglich ist, im Homeoffice zu arbeiten. Um offen und ehrlich zu sein, das erinnert mich doch sehr an meine Schulzeit und die dazugehörige Schulpflicht. Oder noch genauer formuliert: Die „Schulgebäudeanwesenheitspflicht“. Als Schüler hatte ich auch nie die Wahl, wann und wo ich lerne. Da gab es keine Alternativen, die ich hätte wählen können. Es gab nur „die“ Schule und das war’s. Schauen wir kurz näher hin: Neben Deutschland gehört Schweden, die Volksrepublik China und Nordkorea zu den noch wenigen Ländern mit einer gesetzlichen Schulpflicht. Die „Schulpflicht“ beinhaltet eben die Pflicht, zum Lernen in ein Schulgebäude zu gehen, und nicht etwa die Pflicht zum Lernen an sich. Seltsamer Fokus, nicht wahr? Österreich und die Niederlande z. B. haben dagegen keine Schulpflicht, sondern eine „Unterrichtspflicht“, der auch außerhalb eines Schulgebäudes entsprochen werden kann. Dänemark hat die Schulpflicht bereits 1855 abgeschafft und stattdessen ein „Bildungsrecht“ in seiner Verfassung verankert, das beim Kind liegt und über das sich die Eltern keineswegs hinwegsetzen dürfen. „In den meisten europäischen Ländern besteht keine Schulpflicht, sondern stattdessen eine Unterrichtspflicht oder Bildungspflicht. Die Vermittlung von Wissen ist mithin für das Kind nicht an den Besuch einer staatlichen oder staatlich anerkannten privaten Schule gebunden. Das Wie, Wo, Wann und Mit wem der Bildung steht frei und wird staatlich nicht vorgegeben.“(2) Schul(gebäudeanwesenheits)pflicht und Bildungspflicht sind somit zweierlei Qualitäten, die sich auch auf die Arbeitswelt übertragen lassen können. Kann die Arbeitsleistung somit wirklich an den Standort gebunden sein?

Mich beschäftigt nun die Frage: Warum behandeln Führungskräfte ihre Mitarbeiter wie schulpflichtige Teenies? Weshalb lassen sie sie selbst im erwachsenen Alter nicht allein entscheiden, wo und wie sie ihre Leistung erbringen wollen, die sie ja in aller Regel erbringen wollen? Kannst du diesen Gedanken nachvollziehen?

Selbstverantwortung

Kennst du den Grund, weshalb 85% der Angestellten im „Gallup Engagement Index 2019“ (3) angeben, dass ihre Bedürfnisse am Arbeitsplatz nicht oder nur teilweise erfüllt werden?  Da habe ich eine Idee – du auch? Und das stellt den Führungskräften kein gutes Zeugnis aus, so die Studie.

Laut der Gallup-Studie fühlen sich die Mitarbeiter nicht ernst genommen. Fehlende Verbundenheit und lediglich Dienst nach Vorschrift sind die Folge. 

Liebe Führungskräfte und Unternehmer, ich weiß, ihr wollt nur das Beste für eure Mitarbeiter. Demnach bestimmt ihr aber einfach über deren Köpfe hinweg, was für die Masse gut und richtig sein soll. Was haltet ihr von dem Ansatz, dass jeder Mitarbeiter für sich selbst entscheiden darf, wie oft und wie lange er Homeoffice macht? Überlasst doch diese Entscheidung den Mitarbeitern. Sie wissen selbst am allerbesten, ob zwei oder vielleicht vier Tage gut für sie und ihre Produktivität sind. Wenn du als Führungskraft deinen Mitarbeitern zutraust, Projektbudgets in Millionenhöhe zu verwalten oder Projekte in Time und Budget erfolgreich ans Ziel zu führen, dann wirst du ihnen doch auch zutrauen, dass sie für sich selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten wollen.

Warum denkst du, dass deine Leute mehr und effektiver im Büro arbeiten als zuhause? Man kann auch im Office während der Arbeitszeit vier Stunden im Internet surfen und auf Niedrigenergielevel fahren. Oder nicht?  

Sobald du deine Mitarbeiter in ihre Selbstverantwortung führst, wirst du feststellen, dass sich die Qualität ihrer Arbeit spürbar erhöht und sich ihr Engagement fürs Unternehmen positiv verändert. Dienst nach Vorschrift hat dann ein Ende. Klappt das bei allen Mitarbeitern? Sicherlich nicht! Doch bei den meisten schon, davon bin ich überzeugt.

Personal finden und binden

Stell dir vor, du bist der Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern völlig freie Hand lässt, wann und wo sie arbeiten. Was meinst du, wird passieren, wenn sich das am Arbeitsmarkt rumspricht? Stell dir vor, du bist der Vorgesetzte, für den Homeoffice-Modelle Standard sind und der seinen Mitarbeiten die Wahl lässt.  

Du wirst kaum fassen können, was dann passieren wird. Es werden sich jede Menge Menschen bei dir bewerben, die genau zu dir ins Unternehmen kommen wollen – und warum? Weil du ihnen vertraust! Was eigentlich die Basis für eine gelungene Arbeitsbeziehung sein sollte, entwickelt sich jetzt hier zum Mehrwert für beide Seiten.

Fazit:

Solange wir Mitarbeiter wie unmündige Jugendliche behandeln, brauchen wir uns nicht wundern, dass sie ihre Energie mehr in die Freizeit investieren als in den Job. Sobald du deinen Mitarbeitern vertraust, kannst du die Diskussion ums Homeoffice beenden. Der Standort spielt dann keine Rolle mehr. Vertrauen ist das Thema. Vertraust du dir selbst, bringst du auch anderen automatisch Vertrauen entgegen. Das ist der Dreh- und Angelpunkt, der sich zum neuen Standard entwickeln darf.

Quellen: