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März 16, 2020

Wie unsere deutsche Anti–Diversity-Haltung den Fachkräftemangel nährt

  • Wie läuft es bei anderen?
  • Deutsch ist Pflicht
  • Übrigens: Wir bestimmen die Regeln

 

Verstehen Sie mich bitte an dieser Stelle richtig: Dieser Artikel dient nicht dazu, Fehler zu suchen, Schuldige zu finden oder pauschal anzuklagen. Es geht darum, die Augen zu öffnen, um eine neue Sichtweise und somit neue Handlungsoptionen zu gewinnen. Wenn Sie dafür bereit sind, ist dieser Artikel Ihr Wegweiser – alternativ lesen sie ihn bitte nicht und machen weiter wie bisher. Es ist Ihre Entscheidung.

Kapstadt 2020

In diesem Jahr wurde ich bereits zum zweiten Mal von einer internationalen Unternehmensberatung zum jährlichen internationalen und nationalen Führungskräfte-Workshop eingeladen. Ich durfte vor ca. 100 Mitarbeitern einen Impulsvortrag zum Thema „Recruiting- und Personalgewinnungsstrategie“ halten und im Anschluss mit 35 Mitarbeitern die Inhalte im Workshop vertiefen. So weit so gut und absolut mein Home Turf – sollte ich meinen. Doch was mir aufgefallen war: Im Workshop mit den 35 Mitarbeitern waren gefühlt 30 Nationen und Einstellungen vertreten. Während meiner Erfahrung nach in Deutschland bei so einer Veranstaltung doch die meisten Teilnehmer ähnliche Meinungen vertreten wie der Speaker, sollte ich dieses Jahr eines Besseren belehrt werden – und herzlichen Dank für diese wertvolle Erfahrung. Die Teilnehmer akzeptierten keinesfalls einfach eine These, es wurde heftig und laut diskutiert. Was mich zuerst sehr irritierte, nahm im Laufe der Zeit eine Eigendynamik an und die Ergebnisse nach etwa vier Stunden dürfen sich absolut sehen lassen. Mein erstes Fazit: Es macht einen großen Unterschied, ob Menschen aus völlig unterschiedlichen Kulturen und Ländern kommen. Und das erreichte Ergebnis war nur in diesem vielseitigen Setting möglich.

Exkurs: Diversity Management

„Diversity Management“ (auch Managing Diversity) bzw. „Management der Vielfalt“ ist Teil des Personalwesens (Englisch: Human Ressource Management)[1] und wird meist im Sinne einer konstruktiven Nutzung der in einem Unternehmen oder einer anderen Organisation vorfindbaren personellen und sozialen Vielfalt verwendet. Diversity Management toleriert nicht nur die individuelle Verschiedenheit (Englisch: diversity) der Mitarbeiter, sondern hebt diese im Sinne einer positiven Wertschätzung besonders hervor und versucht, sie für den Unternehmenserfolg nutzbar zu machen.

[1] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Diversity_Management

Sie stimmen mir sicherlich unbestritten zu, dass „divers“ aufgestellte Teams bessere Ergebnisse erzielen als andere.

Die Realität: Deutsch ist Pflicht

Leider muss ich in der Realität in Deutschland immer wieder feststellen, dass wir uns über Fachkräftemangel beklagen. Zudem sind wir uns auch fast alle einig, dass es einfach viel zu wenige passende Bewerber gibt. Wie Sie wissen, arbeite ich in der IT-Industrie und auch hier spiegle ich Ihnen dasselbe Bild. Und trotzdem begegnen mir in meiner täglichen Arbeit ständig Sätze wie:

  • Wir schauen uns keine Bewerber an, die nicht mindestens ein Deutsch-Sprachniveau von C1 oder noch besser C2 nachweisen können.
  • Ausländische Mitarbeiter lassen sich eher schlecht integrieren.
  • Der deutsche Mittelstand – somit unsere Kunden – wollen einfach Deutsch sprechende Mitarbeiter.
  • Wir haben leider alles in Deutsch dokumentiert, da würde sich jemand mit Englisch nicht zurechtfinden.

Ist das wirklich Ihr Ernst?! Im Jahr 2020?

Es tut mir leid, aber diese Einstellung teile ich einfach nicht. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage Ihnen, diese Haltung ist völlig überholt, geradezu oldschool.

 

Was ist Deutsch C1?

Das Goethe-Zertifikat C1 ist eine Deutschprüfung für Erwachsene. Es bestätigt ein weit fortgeschrittenes Sprachniveau und entspricht der fünften Stufe (C1) auf der sechsstufigen Kompetenzskala des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER).

Ich appelliere an alle Recruiter, HR-Manager oder Bereichsleiter: Ist das das Diversity Management, dass Sie von Ihrem Unternehmen erwarten? Für das Sie als Führungskraft stehen wollen? Ich rechne an dieser Stelle mit Ihrem klaren Nein!

Natürlich ist es bequemer, einen „fertigen“ SAP Berater einzustellen, den Sie sofort zum Kunden schicken können. Doch diesen bekommen Sie aktuell nicht so einfach. Meiner Meinung nach ist es dringend an der Zeit, umzudenken und sein Mindset neu zu justieren.

 

Übrigens: Wir bestimmen die Regeln

 

Sobald Sie Ihren IST-Zustand, nämlich keine perfekten IT-Mitarbeiter zu bekommen, akzeptieren, dürfen Sie Ihren Radius erweitern. Bitte verstecken Sie sich auch nicht hinter der aktuellen Corona-Krise – diese Haltung war bereits vor dem Ausbruch des Virus gang und gäbe. Wenn Corona überstanden ist, wird sich vieles wieder ändern und Sie bekommen die großartige Chance, auch nicht muttersprachliche Mitarbeiter einzustellen. Öffnen Sie sich dafür und nutzen Sie dieses Potenzial in Ihrer Personalgewinnungsstrategie.

Fazit:

Bitte denken Sie nicht ausschließlich in Schwarzweiß. Das bedeutet jetzt nicht, dass Sie nur noch Menschen ohne perfekte Deutschkenntnisse einstellen müssen. Aber nutzen Sie auch aktiv die Grautöne und werden Sie kreativ im Umgang mit Diversity, denn dort steckt jede Menge Potenzial. Ich wünsche Ihnen den Mut, neue und offene Wege zu gehen. Weitere Details finden Sie unter https://neue-recruitingmodelle.com/